Gottfried Mairwöger

– Eröffnung | Opening –

GOTTFRIED MAIRWÖGER
19.05.2022, 19 Uhr

Ausstellungsdauer
19.05.–18.06.2022

Wir freuen uns sehr auf euren Besuch zu unseren gewohnten Öffnungszeiten:
Dienstag–Freitag, 14–18 Uhr und Samstag, 10–13 Uhr.


Gottfried Mairwöger – Biografie

Gottfried Mairwöger (Tragwein 1951 – 2003 Wien), die schillernde, weil selbstbestimmte, internationale Figur der Kunstszene der Abstraktion in Wien ist endlich wieder zu sehen. Er gehört als Schüler von MIKL und HOLLEGHA zur zweiten Generation nach den großen Abstrakten der klassischen Moderne. Seine Aufgabenstellung als junger Künstler, nach den Naturstudien, die er an der Akademie betreiben musste, haben ihn in eine extreme Position gebracht, die er als nachfolgende Generation erkennen musste; im Sinne des Wunsches, jene Träume Wirklichkeit werden zu lassen, die seine Lehrer hatten. Dies ist keine consecutio tempore als logische Folgerung, aber doch eine Selbstbestimmung im Sinne der eigenen Biografie. Das heißt nicht, dass er sich selbst aufgibt, um anderen zu folgen, sondern ganz im Gegenteil. Er sieht, wo sich die Lehrer selbst limitieren, um deren Grenzbereiche zu überschreiten. Er spürt, dass in ihm die Kraft liegt, diese peripheren Orte aufzusuchen, die das Unbekannte suchen, so wie es BLAISE PASCAL in einem Diktum formuliert hat: »Unser Wissen gleicht einem Kreis, je größer der Radius, desto größer werden die Berührungspunkte mit dem Unbekannten«. So wie ich Mairwöger immer verstanden habe, ahnt er auf seiner Suche nach sich selbst diese tangentialen Optionen. Mairwöger scheut sich nie, große Schritte zu wagen. 

Mairwöger ist jener Maler, der jenseits von Fotos und Videos seine Eindrücke im Bild erleben lässt. Er sucht das Fremde auf, andere Aufenthalte, die sein Leben neu definieren. Er sucht die Ahnungen der Welten. Auf der sehnsuchtsvollen Fahrt des Lebens findet er Stationen, die ihn erfüllen, die wir manchmal Himmel auf Erden oder Erde im Himmel nennen. In seinen Abstraktionen begegnen wir uns selbst und wir erfahren die Fülle und die Strahlkraft seiner Farben. Wichtig werden die Erfahrungen mit der amerikanischen Farbfeldmalerei, mit MORRIS LOUIS, HELEN FRANKENTHALER, KENNETH NOLAND; die Erfahrung, Farbe beim Malakt agieren zu lassen, sich ihr als bestimmender Künstler zu unterwerfen. 

Im Gespräch auf Schloss Murau, wo Mairwöger ebenso wie in Wien arbeitete, sagte der Künstler mir im Jahre 1985, dass es schwierig sei, von ihm ein Porträt zu fotografieren. In diesem Satz steckt mehr als die Verweigerung des Fotografierens der Oberfläche eines Gesichtes. Sie ist das Suchen nach einer Einheit, die sich nicht in der Abbildung realisiert, sondern in der Idee von etwas. Mairwöger zielt immer hinter die Epidermis. Er zeigt innere Erregungen, Malzustände als Manifeste formaler Optionen. Seine Bilder sind nicht unkontrolliert orgiastisch à la HERMANN NITSCH. Sie sind verhaltene Eruptionen als gezügelte Explosionen. Mairwöger ist mild und wild, in den Bewegungen als Person selbst aber langsam und bedacht. Der Künstler hat eine »innere Vision« (NOVALIS), die sich in seinen Bildern zeigt. Nicht Abbildung, nicht die Schilderung von Modellen, nicht die politische Aussage oder die Schilderung von Ereignissen prägen sein Kunst-Wollen: sondern Stimmungen, existenzielle Schwankungen, psychische Notierungen, Erlebnisverarbeitung von höchstem Abstraktionsgrad. Mairwögers Malerei tendiert zur Philosophie in Farbe, zum eigenen Ich als abstrakte Struktur. Nicht theologische Bindungen, sondern die teleologischen (ALOIS RIEGL) prägen seine Kunstwerke.

Diese bildnerische Philosophie entsteht nicht durch Analyse oder mathematische Vorgaben, wie sie die Züricher Konstruktivisten wie Max BILL usw. betrieben haben. Sie ist nicht Belastung des Herzens durch Gegenstände der Erinnerungen im Sinne von SIGMUND FREUD, sondern eine Liebeserklärung an unsere Welt. Mairwögers Malerei ist immer primär Hoffnung. Seine gemalten Hommagen an das Irdische sind heiter oder trist, sind aufrührerisch oder melancholisch, sind akzentuiert oder zurückgenommen, verhalten oder freundlich — immer sind sie human. 

Der Künstler lässt die Ereignisse unserer Welt auf sich wirken, ohne den Zwang zu haben sie erzählen zu müssen. Mairwöger lebt deshalb isoliert in der Atmosphäre seines Ateliers, ohne sich dem Druck der Biografie und ihrer Interaktionen entziehen zu können. Seine Bilder werden mehr und mehr abstrakte Ikonen, Meditationstafeln der ästhetischen Glaubwürdigkeit, aber auch Spiegel möglicher Wirklichkeiten. Seine Bilder sind unmittelbarer Ausdruck von Erfahrungen als Belege menschlicher Existenz. 

WIRKUNG
Mairwöger, so zeigt es das Interview mit ULRICH SCHALL, beschreibt sehr genau, wer seine Vorbilder sind; besonders die Impressionisten im Jeu de Paume in Paris, seine Freundschaft zu CLEMENT GREENBERG, sein Besuch bei den vielen amerikanischen Malern, sein Aufenthalt in Italien, sein neues Harmoniefinden, das außerhalb Europas so auf die Probe gestellt wurde. Er reflektiert in diesen wenigen Zeilen, die er geschrieben hat, sehr genau, was er will. Er sagt: »Eine Botschaft, die auch Menschen verstehen, die in der Kunstgeschichte nicht besonders bewandert sind. Analphabeten, die irgendwo auf der Welt meine Bilder betrachten, reagieren darauf sicher nicht nur wegen der Farbenpracht oder der Größe. Sie empfinden auch den Rhythmus, und wenn ich auch noch ihre vertraute Farbgebung getroffen habe, wenn meine Bilder die Farben ihrer Boote oder Hütten haben, dann spricht sie das sofort an«.

Mairwöger weiß um den emotionalen Gehalt seiner Farben, auch um die unterschiedlichen Konnotationen von Farben in anderen Kulturen. Aber er weiß durch seine naturalistischen Studien am Beginn seiner Laufbahn, dass es schwierig ist, etwas Neues zu malen (wenn man den musealen Kuratoren glaubt). Er setzt sich durch, er entscheidet, er unterscheidet sich mit seinen Bildern von den anderen. Für ihn wird das Malen Ritual, eine tägliche neue Herausforderung. Das heißt nicht, dass er sich selbst imitiert, wiederholt, sondern bedeutet Konsequenz im Sinne von Selbstverwirklichung, Selbstfortsetzung mit dem Wunsch nach einer offenen Rezeptions-struktur, die seinen Arbeiten eine politische Dimension verleiht: Kunst als demokratische Setzung eines Einzelnen und zugleich als Aufforderung an die Milliarden Einzelnen auf unserem Globus. Es ist Zeit, diesem zu früh verstorbenen Maler Österreichs durch die Öffentlichkeit einer Publikation jenes Erinnerungsfeld zu garantieren, das GOTTFRIED MAIRWÖGER längst verdient. 

DIETER RONTE 

Fill in the form below so that we can contact you with more information about this work.